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Markus Acher, The Notwist

Markus Acher




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Markus Acher, "The Notwist"


In den frühen Neunziger Jahren widmete sich Markus Acher mit Hingabe seinem Gitarrenverstärker. Im tiefen Oberbayern werkelten er und seine Band The Notwist an ihrer ureigenen Version von Hardcore, mit der sie Kritiker und Musikliebhaber gleichzeitig verzückten und verwirrten.

Festzumachen ist dies am grandiosen "Walk On", dem Eröffnungsstück des zweiten The Notwist-Albums "Nook" aus dem Jahr 1992. Über einer schroffen Brachialgitarrenwand schwebt die brüchig-melancholische Stimme Markus Achers - zwei scheinbar unvereinbare Gegenpole, die jedoch zahnradgleich ineinandergreifen und den hilflosen Rezensenten einer Heavy-Metal-Zeitschrift zu der Soundbeschreibung "Pantera meets J Mascis" veranlassten.

Zehn Jahre später hat sich die Musik von The Notwist gewandelt. Ihre Grundattitüde, konträre Musikelemente symbiotisch miteinander zu verbinden, ohne viel Aufhebens darum zu machen, hat die Zeit jedoch überdauert.

Verzerrte Gitarren ertönen auf dem neuen Album "Neon Golden" nicht, obwohl die Bandmitglieder, die trotz ihres Umzugs nach München nach wie vor gerne als Weilheimer tituliert werden, "ernsthaft" darüber nachgedacht hatten, die Hörerschaft mit einer "monotonen Krachplatte" zu konfrontieren.

Stattdessen üben sich die vier Klangalchimisten in der Perfektionierung ihres "Pops mit Widerhaken" und verschmelzen elektronische Beats und Gastbeiträge von befreundeten Klarinettisten, Cellisten, Percussionisten, ... so galant und unaufdringlich mit altbewährten Indieharmonien, dass das schillernde Endprodukt1 in keiner Sekunde als unausgegorenes Flick- oder selbstverliebtes Frickelwerk bekrittelt werden kann.

Außer des "Lärmgehalts" der Musik hat sich bei The Notwist im Laufe der Zeit noch etwas erheblich verändert. Während vor einer Dekade lediglich die Redakteure einiger Musikgazetten verstärktes Interesse an der notwistschen Klangerzeugung zeigten, rücken mittlerweile auch die Schreiberlinge "seriöser" Periodika (z.B. von SZ und Spiegel) ihre grellen Scheinwerfer auf das zurückhaltende Quartett, das sich an diese - auch für den neutralen Beobachter - anfänglich irritierende Omnipräsenz wohl erst einmal gewöhnen musste.

Die diesbezügliche Meckerei einiger Uralt-Fans mit Szenewächter-Ambitionen ist jedoch unangebracht. The Notwist erhalten endlich die ihnen schon lange gebührende Aufmerksamkeit eines zumindest etwas breiteren Publikums - und das ist ja dann doch ein sehr erfreulicher Gedanke.


Eure letzte Platte "Shrink" ist im Mai 1998, also vor fast vier Jahren, erschienen. Danach wart Ihr erst einmal auf Tour. Wann hattet Ihr das Gefühl, dass es an der Zeit ist, ein neues Album aufzunehmen?

Im Grund genommen haben wir sofort nach der Tour damit angefangen. Es hat sich nur so lange hingezogen. Wir brauchen einfach immer eine gewisse Zeit, bis ein Album letztendlich fertig ist. Eigentlich denken wir uns von Anfang an immer gleich, dass jetzt wieder etwas Neues kommen sollte.


Wie fangt Ihr denn nach einer langen Tour mit der Arbeit an einer neuen Platte an?

Jeder von uns hat erst einmal für sich allein komponiert. Micha und Martin haben am Computer komponiert, ich mit Gitarre und Gesang. Irgendwann haben wir uns alle getroffen und die Ergebnisse ausgetauscht. Ich habe mir Gesangmelodien zu den Instrumentalstücken der anderen ausgedacht, die anderen haben sich meine Sachen angehört und etwas dazu erfunden. Im Studio haben wir dann alles nochmal aufgenommen sowie neue Sachen hinzugefügt und Leute eingeladen. So ging das dann Schritt für Schritt.


Der Songwriting-Prozess scheint bei Euch ungeheuer aufreibend zu sein. Am Anfang gibt es eine Idee, Du überlegst Dir passende Gesanglinien, Martin generiert auf dem Laptop passende Töne, und schließlich kommen auch noch die Ideen anderer Künstler dazu. Wann wisst Ihr denn, dass ein Song fertig ist? Oder wird ein Song von The Notwist vielleicht nie fertig?

Doch, jeder Song von uns wird irgendwann fertig. Es gibt immer einen Punkt, an dem wir wissen, dass es so weit ist. Das Wichtigste bei "Neon Golden" war im Grunde genommen, dass wir zu dem Punkt kamen, an dem die Stücke auch wirklich einfach und natürlich klangen, also keine konstruierten, zusammengeflickten Computerstücke waren, sondern auch nur mit Akustikgitarre und Gesang funktionierten. Unser Ziel war es, nicht ewig rumzuflicken. Wir wollten uns jeweils auf das einzelne Stück konzentrieren.


Müssen Eure Produzenten Euch manchmal bremsen, Euch klar machen, dass nicht unbedingt noch eine weitere Spur oder ein weiteres Instrument dazu kommen muss? Oder spürt Ihr immer selbst, wann es genug ist?

Manchmal müssen wir wahrscheinlich schon gebremst werden, aber es gibt auch den umgekehrten Fall. Mario Thaler und O.L.A.F. Opal, die das Album produziert haben, verrennen sich auch immer wieder in irgendeine Idee, bis dann letzten Endes wir diejenigen sind, die sagen müssen, dass das einfach nicht passt. Das ist ein ständiges Hin und Her. Jeder versucht, so viel wie möglich einzubringen.


Im letzten Jahr habt Ihr an zwei Abenden im Club2 Eure alten Gitarrenkracher zum Besten gegeben. Es sah so aus, als ob Ihr sehr viel Spaß dabei hattet. Ich habe anschließend gemutmaßt, dass Eure neue Platte wieder etwas rocklastiger ausfallen könnte. Aber ich habe mich getäuscht, schließlich dröhnt auf "Neon Golden" keine einzige verzerrte Gitarre.

Das hat sich so ergeben. Das ist immer nicht so wirklich steuerbar. Man hat einfach bestimmte Stücke, an denen man rumprobiert, und man merkt dann, welche Elemente dazupassen und welche nicht. Wir haben aber in der Zwischenzeit auch wieder einige "rockige" oder zumindest krachige Gitarrenstücke gemacht und wollen versuchen, sie beim nächsten Mal aufzunehmen. Es ist immer fraglich, ob man eine Form dafür findet, die zu dem, was man momentan so machen will, so wirklich passt.


"Neon Golden" ist in Deutschland auf dem sensationellen Platz 10 in die Charts eingestiegen. Auch in anderen Ländern, z.B. in Italien, Frankreich, Österreich und der Schweiz, hat es das Album in die Hitparaden geschafft. Was bedeuten diese hohen Chartsplatzierungen für Euch?

Zunächst freut uns das natürlich, weil die verkauften Platten ja in gewisser Weise ein Symbol dafür sind, dass wir viele Leute erreichen, denen unsere Musik wichtig ist. Aber ganz konkret bedeuten diese Zahlen erst mal nicht so viel.


Eure Platte verkauft sich nicht nur ganz gut, Ihr seid auch absolute Kritikerlieblinge. Fühlt Ihr Euch dadurch geehrt, dass Ihr mittlerweile auch "seriösen" Zeitungen und Magazinen berücksichtigt werdet, oder beeindruckt Euch das in keiner Weise?

Die Artikel, die nach der Veröffentlichung der Platte erschienen sind, haben mich eigentlich zum größten Teil gefreut, weil eben auch sehr viel Resonanz von solchen Seiten kam, mit der wir jetzt nicht unbedingt gerechnet hätten - zumindest nicht in dem Ausmaß. Und deswegen ist das natürlich fein.


Das Eröffnungsstück von "Neon Golden" heißt "One Step Inside Doesn't Mean You Understand". Das ist offensichtlich als Eingangsstatement zur Platte zu verstehen. Gilt dieser Satz auch für Kritiker?

Ja, das gilt mit Sicherheit auch für Kritiker.


Aber natürlich auch für den Durchschnittsbürger.

Im Grunde genommen geht es in dem Titel um die Gefahr der Vereinnahmung, der man als Band oder Musiker bzw. einfach als jemand, der was spielt oder singt, natürlich immer ausgesetzt ist. Gerade im Popbusiness. Das ist halt immer eine sehr oberflächliche Ein-Schritt-Politik. Man wird sehr, sehr schnell eingeordnet, und alle glauben, alles sofort zu verstehen. Da heißt es dann schnell: The Notwist, das sind eben diese sensiblen Künstler, die das nicht so wollen. Das wird alles immer sehr vereinfacht. Das sind Sachen, die einem dann sehr schnell extrem auf den Keks gehen.


Hast Du eigentlich irgendwelche Probleme mit dem Wort "Pop"?

Naja, wenn man bedenkt, wie inflationär dieses Wort in der letzten Zeit gebraucht wurde, dann kann man es eigentlich schon wieder verwenden, weil es eben überhaupt nichts mehr aussagt. Es hängt an nichts dran. Insofern habe ich mit dem Wort "Pop" überhaupt kein Problem mehr.


"Neon Golden" ist zumindest in den europäischen Ländern veröffentlicht worden. Ist die Platte auch in Amerika oder anderen außereuropäischen Ländern erschienen?

Nein, da gibt es die Platte noch nicht. In Amerika haben wir noch kein Lizenzlabel. Da gucken wir immer noch. Das ist alles noch nicht so klar. In Japan auch nicht. Das dauert immer noch ein bißchen.


Habt Ihr denn vor, irgendwann mal wieder in Amerika auf Tour zu gehen, obwohl Ihr dort insgesamt eher negative Erfahrungen gemacht habt?

Das muss jetzt erst mal nicht sein. Wenn man als Vorband irgendwo mitfahren kann, dann ist es okay. Das Problem ist da einfach, dass man unglaubliche Strecken zurückzulegen hat, dass man jeden Tag mindestens acht Stunden fährt, bis man schließlich irgendwo hinkommt, wo allerhöchstens zwanzig Leute stehen. Zumindest war das zu der Zeit so, als wir in den USA gespielt haben. Da kannten uns eben nicht so viele. Und das dürfte sich nicht wesentlich geändert haben. Deswegen ist es für uns besser, bei irgendeiner Band mitzufahren oder auf einem Festival aufzutreten.


Ihr seid offensichtlich sehr interessiert daran, Euren Fans ein möglichst einzigartiges und intimes Konzerterlebnis zu bieten. Ihr müsst auf Tour wahrscheinlich permanent Kompromisse machen, vor allem auf Festivals, wo man sich den Regeln des Veranstalters unterwerfen muss. Habt Ihr damit manchmal Probleme?

Nicht wirklich. Es gibt halt verschiedene Arten von Konzerten, einerseits größere Hallen oder noch größere Festivals, wo alles sehr distanziert ist, wo man als Band oben auf der Bühne steht und kaum direkten Kontakt oder Zugang zum Publikum hat. Andererseits gibt es eben diese kleineren Geschichten, die wir auch immer wieder gerne machen, die aber auch Schwierigkeiten mit sich bringen, weil meistens mehr Leute in den Club reinwollen, als reinpassen. Deswegen muss man das immer abwechseln. In München werden wir das nächste Mal jedenfalls in einer Halle spielen, wahrscheinlich in der Alabamahalle.


Martin Gretschmann kann anscheinend nicht immer dabei sein, wenn Ihr jetzt auf Tour geht. Du hast mal gesagt, dass er auf seinem Computer wie auf einem Instrument spielt und sich an Stimmungen anpassen kann. Dann dürfte seine Abwesenheit auf Tour schwierig sein, weil man ihn eben nicht so leicht ersetzen kann.

Wir versuchen, bestimmte Sachen, die Martin wirklich ganz einzigartig macht, nicht zu simulieren oder irgendwie vom Band laufen zu lassen, sondern durch Sounds, die wir als Band erzeugen, zu ersetzen. Wir haben dann zwei verschiedene Programme, die sich insofern unterscheiden, dass bestimmte Elemente eben nicht so präsent sind, wenn Martin nicht dabei ist. Mit der Elektronik wird dann nicht so viel gespielt, die wird dann etwas statischer sein. Dafür machen wir eben andere Sachen.


Gibt es mittlerweile eigentlich Interessenkonflikte zwischen The Notwist und Console, weil im Moment beide Bands in gewisser Weise dauerbeschäftigt sind?

Interessenkonflikte weniger, eher ein Zeitproblem. Es ist nun mal sehr schwierig, lange auf Tour zu gehen, wenn man gleichzeitig seine eigene Platte fertig machen und veröffentlichen will, so wie das beim Martin der Fall ist. Er hat ewig kein neues Album gemacht. Als er mit uns die neue Platte aufgenommen hat, musste er die eigene auch wieder hintanstellen. Jetzt ist seine neue Platte fertig und wird in Bälde erscheinen. Und zu diesem Anlaß möchte er eben auch ein bißchen live spielen. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, die Tour aufzuteilen. Die eine Hälfte spielt er mit, die andere Hälfte bereitet er sich auf die Präsentation seiner Platte vor. Und wir müssen dann eben auf ihn verzichten.


Wir sollten noch über Deine zweite Band Lali Puna reden. Findest Du es eigentlich ärgerlich, dass die Band oft als Dein Nebenprojekt bezeichnet wird?

Ja schon, weil das nicht wirklich stimmt. Einerseits betrachte ich Lali Puna als völlig gleichwertige Band, andererseits ist es sowieso in erster Linie eher die Band von Valerie Trebeljahr, die singt und und Keyboard spielt. Valerie macht da am meisten und hat auch die meisten Ideen.


Das letzte Lali Puna-Album "Scary World Theory" hat sehr viel Aufmerksamkeit erhalten - gerade auch in England. Leute wie John Peel haben die Musik von Lali Puna als toll und einzigartig beschrieben. Colin Greenwood von Radiohead hat angeblich gesagt, dass Lali Puna zu den besten Bands der Welt gehören. Besteht nun die Möglichkeit, dass Lali Puna in England als Türöffner für The Notwist fungieren?

Solche Sachen gehen immer Hand in Hand. Es gibt Länder oder Szenen, wo die eine Band bekannter ist als die andere. In Italien sind groteskerweise zum Beispiel Village Of Savoonga, bei denen ich auch mitspiele, die populärste Band aus dem Bereich. The Notwist werden da dann eben als Zweitband der Musiker von Village Of Savoonga angekündigt. So geht das immer hin und her. Es kann schon sein, dass solche Kommentare von Leuten wie Colin Greenwood in England auch The Notwist weiterhelfen.


Momentan wird gerade ein Dokumentarfilm über The Notwist gedreht. Kannst Du etwas über diesen Film erzählen?

Der Film wird von Jörg Adolph gemacht, der in der Vergangenheit schon mehrere sehr schöne Dokumentarfilme gedreht hat. Jörg hat uns während des gesamten Aufnahmeprozesses im Studio gefilmt und bei der Labelsuche und auf Konzerten begleitet. Von der bereits erwähnten "Transistor-Veranstaltung" hat er auch einen Mitschnitt gemacht. Der Film soll im März auf 3Sat laufen, ist aber jetzt noch nicht fertig. Ich denke, dass der Jörg bis zum letzten Moment an dem Film arbeiten wird.


Ich habe gelesen, dass Ihr einen gewissen missionarischen Eifer habt, der darin zum Ausdruck kommt, dass Ihr Eure Fans zum Beispiel mit den Blues-Elementen auf "Neon Golden" zu anderen Musikstilen hinführen wollt.

Ich persönlich möchte das gar nicht missionarisch verstanden wissen. Wenn bestimmte Leute aus unseren Platten bestimmte Elemente aus anderen Musikgenres raushören, die sie dann für sich entdecken, dann finde ich das natürlich okay. Ich würde den Leuten aber nie direkt sagen, dass sie sich jetzt mal alle Blues anhören sollen, weil man den ja nicht unbedingt gut finden muss.


Gibt es denn irgendeine aktuelle Platte, von der Du so begeistert bist, dass Du sie sofort weiterempfehlen würdest?

Was mir sehr gut gefallen hat, ist die aktuelle Platte von Prefuse 73, "Vocal Studies & Uprock Narratives". Die ist zwar schon ein bißchen älter, aber ich habe sie erst vor kurzem gekauft. Die ist auf dem Label "Warp" erschienen und gefällt mir sehr gut.

Das Interview führte Frederik Kunth



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