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Soundtracks der Wochen 27 / 2001 bis 38 / 2001

 

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soundtrack der woche
38_2001

Sampler Zehn Jahre Hausmusik

Klick mich, verdick mich

[Hardy] Wichtig in diesen Tagen: Dass man bei alledem die richtige Musik hat. 365 Stunden oder 52 Minuten oder 2001 Jahre nach dem Unglück, das kein Unglück ist, habe ich für mich mein persönliches Urteil beschlossen: dass mein Leben weiter gehen muss, und weiter geht, jeden einzelnen Tag, an dem es das von sich aus tut. Damit die Tage nicht alle beschissen sind, muss ich Mittel und Wege suchen, um sie daran zu hindern. Was die Mittel angeht, verzichte ich erstmal auf Drogen. Was die Wege angeht, bin ich noch auf der Suche, soviel steht ironischerweise fest. Aber gut und in großer roter Leuchtschrift sichtbar sind die Wegweiser, die manche freundliche und verehrungswürdige Bands und Musikfritzen uns aufgestellt haben.

Einer davon ist der Happy-Birthday-Sampler des kleinen Labels  Hausmusik, das sich in diesen Tagen vornahm, zehn Jahre alt zu werden und ein entsprechendes Brimborium darum zu veranstalten. Es tat gut, diese drei Tage ständig laute und unglaublich gute Musik zu hören. So gut, dass es einen Tag danach noch so richtig nachhallt. Daran hat auch der unglaublich gute Sampler zum Geburtstag einen Anteil, der ist käuflich und macht hoffentlich viele Leute happy. (Käuflich war das Festival irgendwie nicht: erstens wurden dann doch happige 70 Märker für drei Tage Eintritt verlangt, was angesichts des  Line-Ups natürlich gerechtfertigt erscheint. Andererseits aber ist ein Abendereignis stets nur so gut, wie man sich selber dabei fühlt oder wie die Leute, an denen man sich über eventuell maue eigene Gefühle hinweg retten kann. Die gingen mir an zwei von drei Tagen zeitweise ab, und deswegen weiß ich inzwischen, dass Eintritt nicht alles sein kann.)

Hausmusik ( am Anfang sogar eigentlich eine Band) ist ja schon seit längerem nicht mehr nur ein Label, sondern auch ein Mail-Order-Vertrieb und inzwischen ein Plattenladen in München. Deswegen gibt es tausende gute Verbindungen zu anderen Labels, und deswegen konnten sowohl auf dem Festival als auch auf dem Sampler die Hausmusik-Stars neben Stars der Partner-Labels auftreten. 31 von ihnen spielen auf der dauerhaften Ausgabe des Festivals sechs Vinylseiten voll, und die Spannung beim Umdrehen der einzelnen Plattenseiten könnte nicht größer sein. Lobpreisung in Kürze: Genug Musik, um sich alleine davon eine Woche zu ernähren. Vielseitige Kost, vieles aus gesundem Landbau, verfeinert mit exotischen und neuartigsten Zutaten. (Leichtes Schrammelrock-Unkraut wuchert in der Mitte, naja.)

Zusammengehalten von einem Sternekoch, der - das hab ich mir auf dem Festival vorgenommen - der erste Interviewpartner der Website plattenfreun.de werden muss, sobald wir hier Interviews machen. Wolfgang Petters ist in dem Alter, wo man auf der Bühne (er tritt selbst u.a. bei "Village of Savoonga" und "Fred is Dead" auf) Jackett oder gebügeltes Hemd trägt, stolz eine Paul-Reed-Smith-Gitarre spielt und rührend glaubwürdig verkünden kann, die Bullen machten Jagd auf Festivalbesucher, man solle also besser nach etwaigem Drogengenuss mit dem Taxi heimfahren. Wolfgang Petters ist kein unglaublicher Musiker wie die Acher-Brüder, die er auf seinem Label großgezogen hat (zumindest hatte ich bei seinen Auftritten den Eindruck). Er ist ein Star einer ganz anderen Galaxie: Er hat einen so schönen, umfangreichen Kosmos moderner und traditioneller Musik zu schaffen, dass das mehr als cool ist.

Vor sich her trägt sein Zehn-Jahre-Sampler stolz ein Johnny-Cash-Zitat: "Do you think that i'll be different when you're through?" Wenn man wirklich durch ist, kommt das, was der Chef am letzten Abend des Festivals "die Krönung" nannte: Das Tied & Tickled Trio, die dichteste und verwegenste Musik aus Jazz und Elektronik, die in meinen Kreisen verkehrt. (Eigentlich sollte der Soundtrack dieser Woche das aktuelle Tied & Tickled - Album werden, aber ich hatte ihn noch nicht reifgehört. Einer Woche Hausmusik-Sampler hören wird jetzt meine Vorbereitung.) I'll be different. Alles wird different sein, fällt mir beim Blick auf die ersten Zeilen wieder sein, und es ist gut, dafür immer den richtigen Soundtrack zu haben.

 

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soundtrack der woche
37_2001

Sampler Unter unserem Himmel 3

Unter unserem Himmel

[Hardy] Ganz in Weiß. Neue bayrische Welle. Zurückhaltung im Äußeren, um sie innen drin umso heftiger aufzugeben. Der Berg hat uns zum dritten Mal einen "Unter unserem Himmel"-Sampler beschert. Das hat der Berg weitgehend gut gemacht. Bayern, soviel zu den Änderungen, heißt jetzt "South Park". Und Bayern zeichnet sich jetzt, optisch, weniger durch zünftige Hirsche an der Wand aus (wie noch beim Vorgänger-Himmel Nummer Zwei), sondern durch ein weichgewaschenes Bootbild vom (Ammer-? Pilsen-?)see - was vielleicht einen Hinweis auf die gewollte Schallgedämpftheit des bayrischen Musikbrauchs und Tumtums geben soll. Lieber als ein exzellent gutes Cover mag ich allerdings einen Sampler, den man durchhören kann.

Das passiert bei "Unter unserem Himmel 3" praktischerweise wie von selbst. Erstens fehlt keiner der maßgeblichen Stars, die man sich wünschen würde (würde man sie, vorausgesetzt, alle kennen). Zweitens haben die Stars unter den Stars einige besonders schöne, exklusive und Vorab-Liedchen abgeliefert, zum Beispiel The Notwist die Trashing Days aus ihrem nächsten Album (gibts allerdings schon als Single) und, cool, Kinderzimmer Productions ein feines Stück namens Mikrofonform, previously unreleased and all that. Und drittens wird die Platte unerwarteterweise dort gut, wo erwarteterweise die Reggae- und Hiphopschneise einschlägt. Die funkt diesmal wirklich gute Signale. Die vom "Backfisch" (von Fiva MC & DJ Radrum), wie erwähnt aus dem Kinderzimmer und ausm Raggabund ("Wo denn"). Mischung: sehr OK.

Abseits des deskriptiven Teils ist diese Platte ein wunderbarer Transitgegenstand. Ein fahrendes Stilmöbel. Weil sie sich bewegt. Weil sie für Mobilität sorgt, wenn man in stabiler Rückenlage an die Zimmderdecke starrt. Weil die Schale dieser Platte deckenweiß ist, und auch unter ihrem Weiß werden Muster sichtbar, wenn man länger draufschaut. Weil die Tage dieser Tage in Wahrheit länger statt kürzer werden, sich dazu aber mit der Nacht verbinden. Weil die Füße kälter werden, aber die Sonne sich heller anfühlt. Weil man im  Herbst sich zwar kein Haus mehr baut (was völlig der Wahrheit entspricht), aber vielleicht auch gar keines braucht. Vielleicht braucht man statt dessen ein Boot mit roten Sitzen. Auf einem Ammer- oder Pilsensee. In Weiß. Im Herbst.

 

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playlist35

soundtrack der woche
35/36_2001

Was Geht Die Fantastischen Vier und ihr Film

Live & Direkt

[Hardy] Auf der Heimfahrt im Auto motzten wir am meisten über den Vorfilm, der auf bedrückend oberflächliche Art und Weise hiphopreimend Fremdenhass thematisieren wollte und daran künstlerisch zugrunde ging. Seine Sache. Beim  Hauptfilm waren wir uns nicht ganz einig. Höchstens bei den Protagonisten. Der Andy Ypsilon, das sei schon ein ganz Netter. Ein Cooler. Sympathischer. Der Thomas D, früher sehr verehrt, hingegen ein Poser, Flachwichser, Möchtegernphilosoph (obwohl natürlich ganz nett). Michi Beck ein Showstar und sich selbst deswegen noch am nächsten. Smudo der eigentliche Star, cool wie ein alter bärtiger Porsche 911 mit grauen Schläfen und der eigentliche Held. Bitte umblättern.

Was wollen oder sollen die vier Jungs denn sonst? Was sind denn, eines Stufe vorher, möglicherweise Erwartungen an das Fantastische Volk? Ich, muss ich gestehen, hatte die ganze Sache Vier für etwas subtiler gehalten. Für... mja, ehrlich. Was bei Hiphoppern vielleicht Credibility heißt und bei den Fantastischen Vier immer wie auf Vollanschlag wirkte, während Billighosen von  Cappuccino (den kannte schon  damals keiner) bis zu  5 Sterne (ja, die auch) es kaum hinkriegen, auch nur ordentlich sich selbst zu spielen. Ich dachte, die Vier seien so, die dächten schlau und viel. Ich denke jetzt, zuviel Ehrlichkeit kann auch ihnen schaden und sie sind in erster Linie einfach nur gute professionelle Popstars und spielen sich seit Jahren sehr erfolgreich.

Unterhaltsamer Film. Wenn diese zugekoksten Nasen voller gespieltem Ernst im Tonstudio an Lied-Phrasen pfriemeln, wenn man im ganzen Film kein einziges Wort über das im Bild präsente Thema Drogen hört, wenn man Thomas D. beim lautstarken Herumhantieren mit seinen ungefähr sechs oder tausend Show-Hunden erleben darf, dann kommt man den Vier vielleicht näher, als ihnen lieb ist. Vielleicht sind sie nicht die Showstars, in denen eigentlich die netten Jungs von damals stecken, sondern es ist genau umgekehrt: sie geben die netten Jungs, in denen in Wirklichkeit Showstars sitzen, die von innen das Bubenfell hübsch glänzend polieren. Boys, die heute wundersamer Weise in verglasten Häusern sitzen und über das Früher nachdenken (Michi Beck). Gern und ausführlich vom Reiten auf dem  hauseigenen Schwein (Thomas D.) in schenkelklopfender Runde berichten. Süffisant erzählen, dass die goldenen Schallplatten in der alten Wohnung im Klo hingen, aber jetzt müsse man das schon irgendwie in den Gang (Smudo).

Ist ja alles nicht ohne Charme. Nicht ohne Authentizität. Aber es verfehlt das Bild in meinem und wohl noch einigen anderen Fantavierfreundkörpern, das von einer anderen Band erzählt. Wie die so sein soll? Cooler, nicht so provinzpathetisch. Fetter, mit unbedingter Überzeugung in allem, was sie macht. Genialer, schaffend aus spontanem Irrsinn. Echter, ohne zu viel Sinn für die Oberfläche. Wohin das, was die Band in der Realität macht, führen kann, erlebt man am  aktuellen Werk  von Thomas D, sowie daran, dass es bereits die gewitzte Jugendband Echt  gemerkt hat, dass sich Thomas D immer beim Lied "Krieger" das T-Shirt auszieht. Tut er auch im Film.

Die Kritik an der Kritik: Wie ideal. Wie intellektuell. Mann. Das hier ist Pop. Zu Pop gehört Pathos. Vielleicht erinnere ich mich in pathetischen 50 Jahren sehr, sehr gerne daran, dass ich mir nachts um zwei drei Kerzen auf den Tisch gestellt habe. Die Zahl Drei ist pathetisch. Die Vier inzwischen auch. Werde ich die Fantastischen Vier in 50 Jahren hören, weiß ich hoffentlich alles selber, was die Vier einmal für manche Menschen wie manchmal mich hätten sein sollen. Oder sein wollen. Vielleicht wissen sie das auch selbst erst in 50 Jahren so richtig genau.

 

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soundtrack der woche
34_2001

--- rohling

so roh

[Otto & Hardy] Die Woche soll so sein, dass sich was einbrennen kann. Deswegen soll sie erstmal leer, frei und unbescholten sein, sie hat ja gar nichts gemacht.

Leere im Kopf geht leider nicht immer so einfach. Oder wie war das, als Du jünger warst und deine Zukunft nicht weiter als bis zur nächsten  Sandkerwa ging?

Diese Zeiten kommen vielleicht nie wieder. Doch lass es uns in dieser Woche noch einmal versuchen.

Nicht soll vorbeiziehen und unbedeutend wirken. Nichts Unwesentliches vergessen werden. Sondern gespeichert und bemerkt und verstanden werden, bis sich allmählich Rille um Rille zu einem Großen Ganzen heranwächst und die Random-Taste genau das Richtige zur richtigen Zeit abspielen kann.

Auch die bespielten Platten können möglicherweise wieder leer werden, das tut meistens weh, weil sich dann die schönen und gewohnten Sachen aus dem Leben schleichen. Es wäscht die bespielte Scheibe wieder ein Stück weiß. Raum für Notizen. Sowas mag die Platte nicht so sehr, in den Ohren knirscht es, die Platte bleibt unangenehm hängen und macht laut ticktickticktick.

Dann ist es möglicherweise Zeit für die Stoptaste. Oder man versteht das alles als Konzeptmusik und dreht lauter. Oder man sitzt erstmal dumm da und starrt die Platte eine Woche oder ein Jahr oder einen Tag an, ob sie sich möglicherweise von selbst neu bespielt. Oder man sucht die passenden Bits aus der Schublade und klebt sie an der richtigen Stelle ein. Nicht zuviele Rohlinge auf einmal weißwaschen, vielleicht reichen dafür die Bits oder die Woche nicht.

Und dann anhören. Zum Einschlafen, zum Aufwachen und zum Betrinken. Dabei schon mal den Remix ausprobiert? Rockt nicht schlecht. Manchmal.
Die Start-Taste muss man halt noch selber drücken.

 

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soundtrack der woche
33_2001

Sampler hamburgeins

Gefälschtes hamburgeins Cover, sieht aus wie in echt

[Otto] Nachts. Stadt. Das Auto, wahlweise ein verbeulter Opel oder ein Großer Franzose, fährt durch einen Tunnel. Kalte, aber schöne Neonlichter flankieren den Einzugbereich der Betonröhre und werfen geradlinige Schatten auf das Fahrzeug.
In der Fahrgastzelle macht sich allmählich wohlige Stimmung breit. Schweigen.

Und schauen. Wie sich der weiße Streifen der Fahrbahnmarkierung teilt und sich wieder zu einem Strang verbindet. Wie das Neonlicht schimmert und einfach nur ist. Zumindest eine Zeit lang.
Und dann natürlich ganz Ohr sein. Für Tracks, die zunächst keine zu sein scheinen, die im hier und jetzt passieren, die langsam wachsen, sich ausdehnen, die tanzen wollen und dabei den Kopf kurzzeitig mitwippen lassen.

"Bin doch abstrakt" - Diesen Satz im Hinterkopf, bekommen die Insassen allmählich ein Gespür für wabbernde Loops, scheinbar zufällige Sample-Fetzen, für weiße Streifen auf der Straße und den nicht enden-wollenden beleuchteten Tunnel. Doch die Fahrt geht weiter. Wohin?
Dahin, wo es sich umzusehen lohnt. Wo Dinge einen Sinn ergeben, obwohl sie nicht immer zusammenpassen. Mit dabei: Musik als Endlosschleife, als Grund und Ziel der Reise. Mal lauter, mal leiser.
Auch dann noch, wenn das Radio mal ausgeschaltet und der Wagen längst abgesperrt ist.
Davon handelt Hamburgeins. In München, in Osnabrück, in Bamberg und anderswo. Vermutlich.

 

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soundtrack der woche
31/32_2001

Morcheeba The Big Calm

Morcheeba

[Hardy] Ferienzimmer, Windlaune, offene Tür. See sehen, Vorhang wehen. Schöne Zeit. Stunden, sitzen, reden, schwitzen, trinken, winken.

Liebe und Vergänglichkeit, Ruhe, Strom, Verlassenheit. Wiederfinden, Geborgenheit, schön im Dunkelrot, Sessel und Sofa, ein Bett, wer Böses dabei denkt. Eine Kirche für Gedanken. Eine Halle für Gefühle. Blick nach vorne - ist es sicher weit weise gut zukünftig?

Weinen über sich und mich und nichts. Ein Fenster, viel zu klar geputzt, um Blicke schweifen zu lassen, Freunde gehen, adieu und bis bald. Das Herz spürbar in der Mitte. Klopf an, rutsch raus, rauf, rüber, bis bald nochmal, vielleicht was essen und dann abspülen, runter mit den Resten, die Maschine macht das Gröbste, für Feines leider keine Zeit. Das Auto wartet, mit fliegendem Radio, fährt und rollt rauf, runter, spielt ein Lied -

Left my soul there
Down by the sea
Lost control here
Living free

Schönheit. Verletzlich sein. Ein Wind, der die Tränen bringt, nicht trocknet. Kühler Kopf, vielleicht bißchen Kopfschmerzen, Tablette ist aus Eisen, will die Kehle nicht hinunter, muss das denn wirklich sein? Ja, ja, ja. Ein letzter Schluck, das Glas sitzt im Schummerlicht, halb zwei am Strand, gefüllt mit sich selbst und Eis, komm gehen wir, es ist Zeit, schon spät. Zeit zum Schlafen. Auf bald.

 

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soundtrack der woche
30_2001

Sampler Puch Fiction

puch fiction

[Hardy] Die Puch-Festwochen, erster Teil. Der Sampler "Puch Fiction" ist ein ideales Surrogat für den großen Wiesenspaß im Juli. Die grüne Wiese auf dem Cover der Platte ist nicht euphorisch-, sondern normalgrün; so wie eben im ganzen Puch eher alles normal ist anstatt überdreht, und das ist es genau, was das Festival so außergewöhnlich schön macht. Positive Coolness.

ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse
fahrradfahrer dieser stadt
ich bin alleine und ich weiß es
und ihr demonstriert verbrüderung

Tocotronics "Freiburg" als Opener, danach alle die Bands, die man gerne mal auf der Bühne vor der Wiese gegenüber dem Berg gesehen hätte: Blumfeld, Notwist, Attwenger, Die Goldenen Zitronen, Sportfreunde Stiller... neid. Drin stehen ein paar Worte zur damals zehn-, inzwischen zwölfjährigen Geschichte des Festivals. Und ein seltsamer Satz zu einem ausgebrannten roten Fiat-PKW, der irgendwann mal am Rande eines Puch-Festivals den Hitzetod starb: "Erinnerungen sind wirklich feuerfest".

Sind sie das? Im Booklet schreiben die ehrenwerten Puch-Jungs eine mögliche Antwort auf ihre ganzen feuerfesten Schoten aus den alten Jahren: "Ist das alles auch wahr? Es ist alles so wahr, wie es Erinnerungen eben sein können."

Um ehrlich zu sein, ist der Satz mit den feuerfesten Erinnerungen auch nur meiner eigenen Erinnerung entsprungen: In der Nacht war mir ein Rest Bier über die Puch-CD im Rucksack gelaufen, und das Booklet war genau an jener Stelle mit der CD zusammengepappt, wo der Satz mit der Erinnerung steht.

Ist es wichtig, wie es wirklich war? Es ist wohl wichtiger, wie es jetzt ist. "Positive Verklärung" ist ein zu analytisches, zu theoretisches Wort dafür. Praktisch ist es einfach so: Am Sonntag danach strahlt die Sonne noch ein bisschen heller, der Wind schmeckt noch ein bisschen milder, die Bands spielen perfekter, als sie es tatsächlich am Samstag auf der Bühne getan haben.

Gut so? Vielleicht nein. Vielleicht verliebt man sich in Erinnerungen, die möglicherweise nochmal als reale Menschen, Dinge, Ereignisse aus der Ecke springen und plötzlich ganz anders aussehen. Vielleicht aber auch ja. Bisher ist es einfach immer noch gut ausgegangen.

Für positive Verklärer ist deswegen eine Platte als Souvenir vom Sommerfestival ideal. "Puch Fiction" ist ein idealer Fetisch für Puchisten, die sich an ihrer eigenen Sonne, ihrer eigenen Wiese und ihrem Wind festhalten wollen. Wer im nächsten Jahr hingeht, wird dann erleben, dass alles gleich und doch alles ganz anders ist. Ereignisse sind draußen, sie sind zum Vergessen da; die Erinnerungen daran sind nur in uns drinnen, und wir basteln an ihnen herum, bis sie in einen Bauch, eine Nase, ein Gehirn passen. Insofern gehört auch die Musik auf der CD zu den Erinnerungen: sie kann jederzeit rückstandsfrei vom Massenspeicher nach drinnen rein geladen werden. Gefähtlich nur für jene, die eine CD nicht von einer Bühne vor einer Wiese gegenüber einem Berg unterscheiden können.

Schärfe deine Sinne: mit vielen Fotos aus Puch.

 

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soundtrack der woche
29_2001

Kante Zweilicht

Kante

[Hardy] Kante kann man schon mal unterschätzen. Nach der Lektüre ihrer Platte "Zweilicht" dachte ich: wow, alter, mal wieder ne Gitarrenpop-Band mit teilmelancholischen Texten über das Wachliegen morgens neben einer vertrauten fremden Person. Kenne ich irgendwie, sowohl das Thema als auch die Musik.
Den Kante-Kneipenhit Nr. 1 "Die Summe der einzelnen Teile" fand ich sogar richtig bescheuert: klang nach Benjamin Lebert und Internats-Popband auf Selbstfindungsreise. Da kann Kante-Frontmann Peter Thiessen noch so lange bei Blumfeld Bass spielen. Dann aber kamen sie live in unsere Stadt, und ich musste mir das alles nochmal gut überlegen, mit der Gitarrenpop-Band einerseits, mit der Pubertät andererseits.

Vor allem in den experimentellen Stücken erreicht Kante (na ja, jugendliche) Qualitäten, die wirklich cool sind. Was mich überzeugt: Perfektion. Die hatte Kante live nicht ganz, aber sie zeigten die Verstecke, wo sich auf der Platte geheime Informationen zur Musik von heute befinden. Die Fundstellen.

1. "Die Summe der einzelnen Teile" ist das Konzept der Musik von Kante und nicht ein einzelner Song. Um die Musik besser zu machen, bedarf es besserer live gleich sechs besserer Musiker, vor allem einem zweiten Fellfreak neben Stammtrommler Sebastian Vogel (das ist der mit dem netten Jungengrinsen). Dass die Zeile Wir haben Gitarren, das Klavier und den Bass / Wir haben das Schlagzeug, den Gesang und all das mehr beschreibt, als die Besetzung einer Schülerband, sondern (zumindest angestrebte) Perfektion an allen Ecken, wird einem damit klar. Und auch daran, dass sie alle Knöpfe im Ohr tragen, um alle Einsätze midi-gesteuert genau hinzukriegen. Wir haben gelernt: Kante-Musiker sind die Bodyguards ihrer eigenen Lieder.

2. Dass es nicht um Gitarrenpop geht, zeigt sich ja schon auf der Platte ansatzweise im Klavier-und-Klarinetten-Schocker "Best of both worlds", das seinen Anfang gut hinter vermeintlicher Eintönigkeit versteckt. Eigentlich ein Performance-Stück, das es nur live geben kann: mit den beiden Trommlern und dem immer leicht aus dem Takt heraus rasselnden Frontmann, vorher cool Zigarette rauchend, hinterher hatte er sich vielleicht über seine Falschrasselei etwas geärgert und er machte die Kippe aus. Hätte ich den Begriff Elektrofunk nicht schon innerlich so sehr überstrapaziert, so würde ich sagen: Elektrofunk unplugged. Wir haben gelernt: Musik von morgen.

3. Zuletzt der stille Schmerz: er findet sich in zwei Stücken der Platte, einmal "Im ersten Licht", und dann nochmal in "Zweilicht". Zu dreiste Textpassage, um wirklich innerlich zu sein. Ich bin mir neuerdings sicher: Die ist ein Versatzstück, ein Kunstgegenstand, ein Werkzeug wie etwa ein Pinsel, der eine bestimmte Farbe auf eine Leinwand aufträgt. Mehr nicht. Da erzählt einem keiner was über sich selbst, das machen nur Schülerbands und gedichteschreibende Jungautoren. Wir haben gelernt: Kante ist nicht ihre eigene Musik, sondern spielt sie nur.

Dreist natürlich, sowas im Label-Info ( download) schlicht als "Band" zu bezeichnen. Sowas wie Kante nennt man doch heute beschissenerweise "Projekt". Eine Band ist dagegen eine Schicksalsgemeinschaft, die sich gemeinsam betrinkt, rumhurt etc. Und eine gemeinsame Identität und Message hat, also passt kein Blatt Papier zwischen die Musiker und die Band - eindrucksvoll zu besichtigen im schönen Film  Almoust Famous.

Kante aber ist keine Band, sondern ein Orchester, das sich selbst vom Blatt spielt. Und "Die Summe der einzelnen Teile" ist in diesem Zusammenhang keine überdrehte Wir-Prosa, sondern nüchtern systemtheoretische Beschreibung eines Funktionskomplexes: Gitarre, Klavier und Bass, Schlagzeug, Gesang und all das. Funktioniert.  Weiterführende Literatur wird aber empfohlen.

 

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soundtrack der woche
28_2001

Yonderboi Shallow And Profound

Yonderboi

[Hardy] Der Unterschied ist: Er verspricht nicht zuviel, eher zuwenig. Was mich an vielen Platten aufstrebender Elektrokünstler nervt, ist, dass sie den Schwung, mit dem die ersten acht Takte des ersten Liedes bestritten werden, meistens nicht durchhalten. Weg ist der Bass, das feine Lick, stattdessen die übliche schlechtgelaunte Pseudo-R'n'B-Heulnummer. Schlechte Laune kann ich auch selber haben. Yonderboi hat vielleicht auch welche, ist ja aus Ungarn, aber er macht feine Sachen daraus. Deswegen ist es überhaupt kein Fehler, über die Dicke-Hose-Raps von Yonderbois Kollegen Benski im ersten Track noch ein paar Stunden hinaus zu hören.

Neulich, im Funky-Feature über den Kontraphon-Sampler tauchte Yonderboi ja schon mal auf, als Alternativmusik für ein garantiert feineres Frühstück. Stimmt immer noch, Gefahr aber ist: das Frühstück schwimmt weg. Der Tag wird alt und ruhig, der Hunger auch, Yonderboi ist ja da.

Er schwimmt erstmal mit Akkordeon-Samples weg von Cantaloupe Island, hüpft als Rider on the Storm durch sein Stoppelfeld. Macht den Blick weit und holt angebranntes Sommerland aus dem schönen (vielleicht auch abgefuckten, das erkennt man nicht so leicht) Nirgendwo nach Hause. Es war noch nie so leicht, so bedingungslos einen Musiker sofort zu mögen - wenn er doch so konsequent das Boot paddelt, das den dunkelblauen See überquert. Es wird keine ruhige Überfahrt, keine Sorge. Im Gegensatz zu landläufigen Hitzeliedern lassen die Yonderboi-Tracks das Boot kräftig schaukeln.

Alle anderen sind dagegen mehr die Sorte "fader Elektroantrieb", denen hilft kein Soulquirl der Welt. Wahre Sommerhits sind nur mit guten Cocktails kompatibel. Zu Yonderboi empfehlen wir eine unfassbar große Menge Bloody Mary. Dann schaukelt das Beatboot, und man ist froh, wenn man das Ufer des nächsten Frühstücks noch erreicht.

 

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soundtrack der woche
27_2001

Bad Religion The Gray Race

Bad Religion

[Hardy] Ich fühle mich zur Rechtfertigung genötigt. Punkmusik ist der Trash der 80er, diese hier ist Trash der 96er. In manchen Lebenslagen aber ist lauter Gitarrenkrach im allgemeinen und Bad Religion im besonderen das einzige, worauf man vertrauen kann. Früher, als ich Bad Religion noch sehr verehrte, vertrat ich die Meinung, die Musik Bad Religions sei wie ein Brett, auf das man alles draufstellen kann. Das ist das Einzige, was von meiner damals hohen Meinung über Bad Religion übriggeblieben ist.

Bad Religion ist heute sozusagen nur noch ein Werkzeug für bestimmte Geisteszustände, und genau darum geht es mir auch immer beim Gebrauch dieser Musik. Das hat mit den Texten zu tun, die ich für intelligent halte. Einer meiner Lieblinge ist I'm going for a walk/ Not the after-dinner kind/ I'm gonna use my hands/ And I'm gonna use my mind. Das reicht vollkommen: für den Stups, den ein Gehirn ab und zu braucht um zu ahnen, dass es auch noch ein Draußen gibt. So war mir am Montag dieser Woche intensiv zumute, und irgend einen Grund braucht man ja auch dazu, sich beim Solo-Headbangen das Genick zu verrenken.

Wie gesagt, ich fühle mich zur Rechtfertigung genötigt. Aber es gibt Momente, in denen schafft es elektronischer Sound - sonst fast für alles gut - nicht bis nach innen rein. Den Weg muss man freisprengen.

Und dann wieder "The Gray Race" brav für ein Vierteljahr heim ins Regal. In den Schrank mit Heavy Drugs.

 
 
 

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Kontakt:   Hardy Röde   Elsenheimer Str. 24   D-80687 München   Tel 089/578 68 220   Fax 578 68 222   e-Mail: hardy@plattenfreun.de