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Soundtrack der Woche. 44_2003
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Louie Austen Easy Love
[vero] Heiraten ist gerade in. Kinder kriegen auch. Eine Besinnung auf die alten Werte schleicht sich in unsere Herzen. Harmonie rules, und Kultstatus war schon immer das, was uns auf der einen Seite so individuell gemacht hat, uns aber gleichzeitig immer wieder in die Gemeinschaft mit anderen, in eine harmonische Einheit verwiesen hat. Seien wir uns doch ehrlich- eigentlich sind wir immer ganz dankbar für einen Pophelden, der beide Seiten bedient.
Die Individualität mag man ungerne aufgeben, aber beim Gemeinschaftlichkeits- und Harmonierevival sind wir alle groß dabei. Die Renten werden nicht sicherer in diesem Land. So kommt "Easy Love" ganz recht. Ein weiteres Album von Louie Austen, der uns das Altern süß-sauer schmackhaft macht. Attraktiv, charismatisch und offen für Alles. So könnte man sich selbst in ein paar Jahren auch noch leiden.
Aber auch bei diesem Album muss man sich klarmachen, dass wir es hier nicht mit einem Wunschkonzert zu tun haben. Swing muss man nicht gerne haben, um dieses Album zu mögen, Elektronikfreak muss man auch nicht sein. Es verhält sich so, wie bei der "Neuen Volxmusik", auch wenn das nach weit hergeholt riecht. Aber es geht um die Kunst der Stilvermischung und des Verfremdens.
Inwieweit bei diesem Album mit dieser Mischung kokettiert wird, das darf jeder selbst herausfinden. Aber dieses, ich nenne es mal "Stilmittel", kommt sicherlich krasser zur Geltung, als bei den Vorgängeralben. Louie Austen hat für dieses Album Irene Lavina, eine Schriftstellerin aus New York, eingeladen. Zwei Songs, "Desdemona's Revenge" und "Desire", klingen dann eben wie Patti Smith. Gedichte rezitieren über Sounds. Das ist nichts Neues und erinnert an die Beat-Generation. Lou Reed hat sich auch erst vor kurzem an Edgar Allan Poe gewagt. Hier wird das Rad also nicht neu erfunden. Die Wirkung ist die gleiche wie bei Patti Smith oder Lou Reed. Man hört eben mal schnell genauer hin.
Wann werden die Worte gehört, die Louie Austen als Sänger per Definition wichtig sind? Bei einem Song, der traditionell als Jazzsong arrangiert ist. "When will it all end?" ist eigentlich ein ganz profaner Jazzsong, in dem Louie Austen über die Dinge erzählt, die einem so richtig an den Wertesten gehen (siehe Interview). Hier geht's dann eben um Krieg. Ein kleiner Einbruch in die Harmony, der aber durch den Sound auch noch sommeralbums-konform ist.
Auf "Easy Love" wird sehr viel gewollt und viel Risiko eingegangen. Es ist in den Grenzen, die Stimme und Elektronik hergeben, kreativ. Dadurch, dass eben dieser und jener Live-Musiker mitmacht, dadurch, dass George Ogunleye von den Aphrodelics rappt, dadurch dass es in gewisser Weise offen ist und dadurch, dass es verdammt gut produziert ist. Patrick Pulsinger und Mario Neugebauer mach ich mal schnell den Groupie vor dem Herrn. Die Beats schmiegen sich sensibel, latent fricklig und sind kräftig genug, um Sommerhits vom Stapel zu lassen. "Easy love" burnt sowieso, "Danger" mit George Ogunleye dürfte der zweite Hitkandidat sein.
Es ist ein Album, zu dem man in diesem Sommer große Lieben finden kann, die man ehelicht. Kinder können dazu auch gemacht werden, weil das Album sexy ist. Für die potentiellen Scheidungen wird auf das nächste Album gewartet. Bis dahin - shake your ass or get married!
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